Dienstag, 17. April 2007

Kunst im Zeitalter der vollständigen Reproduzierbarkeit

Venedig, 1562
Paolo Veronese, im Hauptberuf Maler, liefert stolz und müde beim Abt des Klosters San Giorgio Maggiore ein Werk ab, das unter dem Titel "Hochzeit zu Kana" internationale Berühmtheit erlangen sollte:


Venedig, 1797
Französische Soldaten schneiden die Leinwand aus dem Rahmen und fahren mit dem farbigen Souvenier nach Paris.

Paris, 2007
Im Louvre hängt das schöne Leinen noch heute, direkt gegenüber der Mona-Lisa. Rückgabe ausgeschlossen. Das Bild ist allerdings zehn Zentimeter länger als an seinem ursprünglichen Ort: Beim erneuten Aufhängen hat man das gute Stück wohl etwas in die Länge gezogen, weshalb es auch schmaler geworden ist.

Venedig, 2007
Adam Lowe, berühmter Kunstfälscher, arbeitet fieberhaft an der Fertigstellung der Reproduktion. Mit einem hochauflösenden Laserscanner wurde das Bild digitalisiert. Die Reproduktion ist bestürzend gut, das Origininal scheint an seinen ursprünglichen Ort zurück gekehrt zu sein.

Venedig, 11. September 2007
Das Gemälde wird der Öffentlichkeit gezeigt werden. Eine schöne Zeit wird beginnen, in der man über Walter Benjamins Gedanken zur "Aura" nachdenken kann: Das Original zeichnet sich von der technisch perfekten Reproduktion durch die Aura aus. Die Frage ist nur, wo sich die Aura besser entfalten kann: In Paris, in einem düsteren Museumssafe, eingezwängt von einem Holzrahmen? oder doch in Venedig, umgeben von dem alten, heimatlichen Gemäuer, im Scheine des südlichen Lichtes? Ist Aura Raum? dann hat es das Original schwer, leicht die Kopie, denn ist die „Zertrümmerung der Aura“ in Paris nicht längst abgeschlossen? „Es ist nun von entscheidender Bedeutung, daß diese auratische Daseinsweise des Kunstwerks niemals durchaus von seiner Ritualfunktion sich löst. Mit anderen Worten: Der einzigartige Wert des »echten« Kunstwerks hat seine Fundierung im Ritual, in dem es seinen originären und ersten Gebrauchswert hatte. Diese mag so vermittelt sein wie sie will“. Adam Lowe bezeichnt seine Arbeit an dem Werk als Performance, gute Vorraussetzungen für die Aufladung der Reproduktion mit der Aura eines Rituals...

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